Einstieg in den Aktienmarkt: Einmalanlage oder Sparplan?
- Christian Heinrich
- 24. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Wer den Entschluss fasst, an der Börse zu investieren, und bereits eine Anlagestrategie entwickelt hat, ist auf dem richtigen Weg. Doch eine zentrale Frage bleibt: Sollte das Kapital sofort in einer Einmalanlage investiert oder schrittweise über einen Sparplan angelegt werden?
Gerd Kommer, einer der bekanntesten Experten für ETF-Investments in Deutschland, und sein Team haben dieses Thema in einem ausführlichen Artikel untersucht. Ihre Analyse zeigt, dass es in 73 % der Fälle vorteilhafter gewesen wäre, das Kapital direkt vollständig zu investieren – basierend auf empirischen Daten aus den Jahren 1926 bis 2020.
Allerdings fehlen in dieser Betrachtung aus meiner Sicht zwei wesentliche Perspektiven.
Perspektive - Bewertung des Aktienmarktes
Das Team von Gerd Kommer hat in seiner Analyse die Marktbewertung nicht berücksichtigt – aus meiner Sicht ein entscheidender Fehler.
J.P. Morgan hat eine Analyse zum S&P 500 durchgeführt, die aufzeigt, welche Renditen je nach Marktbewertung über einen Zeitraum von 1 Jahr und 10 Jahren zu erwarten sind.
Was lässt sich aus der Grafik ablesen?
Aktuell liegt das Forward-KGV (Verhältnis von Kurs zu erwarteten Gewinnen in den nächsten 12 Monaten) bei 22 und damit über dem historischen Durchschnitt.
Betrachtet man die erwartete Rendite für die kommenden 12 Monate (linke Seite der Grafik), zeigt sich kein eindeutiges Muster – es gibt sowohl starke positive als auch negative Ausreißer.
Interessanter wird der Blick auf die rechte Seite: Hier wird eine klare negative Korrelation zwischen Bewertung und langfristiger Rendite sichtbar. Das bedeutet, dass höhere Bewertungen mit niedrigeren erwarteten Renditen über die nächsten 10 Jahre einhergehen. Die Grafik zeigt, dass in einem solchen Umfeld eine durchschnittliche jährliche Rendite zwischen -2 % und +5 % zu erwarten ist.
Auch der wohl bekannteste Investor, Warren Buffett, hält aktuell die höchste Liquiditätsreserve in der Geschichte von Berkshire Hathaway.
Für seine Marktanalysen nutzt er einen eigenen Indikator: das Verhältnis der gesamten Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes zum Bruttoinlandsprodukt. Doch auch dieser zeigt ein besorgniserregendes Bild. Die aktuelle Bewertung übertrifft sogar die Niveaus aus der Zeit des Dotcom-Crashs im Jahr 2000 sowie vor der Corona-Krise.

Wer jetzt sagt, das ist eine Analyse auf den S&P500 - ich investiere in den MSCI World, MSCI All Country World oder den FTSE All World.
Dem würde ich entgegen, lass uns doch prüfen wie sich der jeweilige Index zusammensetzt:
Index | USA-Anteil |
73,6% | |
66,4% | |
64,6% |
Muss der Aktienmarkt direkt abstürzen oder korrigieren, nein das muss er natürlich nicht. Dennoch würde ich aus diesem Grund empfehlen nicht alles auf einmal zu investieren.
Perspektive: Verzinsung
Das Team von Gerd Kommer hat in seiner Analyse einen weiteren wichtigen Aspekt unberücksichtigt gelassen: die Verzinsung des nicht investierten Kapitals. Während dies in Zeiten negativer Zinsen kaum eine Rolle spielte, ist es heute ein entscheidender Faktor.
Aktuell liegen die Leitzinsen in Deutschland bei 2,75% und in USA bei 4,33%.
Kalkuliert man für das noch nicht investierte Kapital eine Verzinsung auf diesem Niveau so spricht ein weiterer Punkt für die Investition in Form eines Sparplans.
Fazit
Das Team von Gerd Kommer liefert in seiner Analyse eine fundierte Auswertung, und statistisch betrachtet wäre in 73 % der Fälle eine Einmalanlage die bessere Wahl. Berücksichtigt man jedoch die Zinserträge, die während einer schrittweisen Investition anfallen, verringert sich dieser Vorteil. Die genaue Reduktion müsste näher untersucht werden, doch ich schätze, dass sich der statistische Vorteil auf etwa 60–70 % reduziert.
Der wesentlich wichtigere Punkt ist jedoch, dass die Analyse keine Aussage darüber trifft, wann ein schlechter Zeitpunkt für eine Einmalanlage sein könnte. Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass die Bewertung des Marktes nicht in die Betrachtung einbezogen wurde.
Basierend auf meiner Analyse gehe ich davon aus, dass wir uns aktuell in einer Phase befinden, in der eine vollständige Einmalanlage nicht ideal ist.
Sollte man also auf eine Korrektur oder einen Crash warten?
Nein, das wäre nicht die richtige Strategie.
Stattdessen würde ich empfehlen, in jedem Fall mit einem Sparplan zu starten und die Investition über 12, 24 oder 36 Monate zu verteilen. Alternativ könnte ein Teil des Kapitals sofort investiert werden, während der Rest schrittweise über einen Sparplan angelegt wird.
Wie man das noch nicht investierte Kapital in Anleihen anlegt, der mögen folgenden Artikel lesen.